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Griechenland – Katastrophe oder historische Chance

Über die wirtschafts- und finanzpolitische Misere Griechenlands, deren Hintergründe – mentalitäts- und soziopolitisch basierte Traditionen ebenso wie zweckdienliche Ignoranz der übrigen EU-“Partner” – und mögliche Auswirkungen wird seit Wochen diskutiert. Jeder Lösungsansatz findet Befürworter und Gegner – fachkundige wie völlig dilletantische , opportunistische und radikale. Egal, welcher Weg beschritten wird, es drohen soziale Unruhen, Folgewirkungen auf weitere EU-Länder – früher oder später auch die stärksten – bis hin zum Staatsbankrott und unaufhaltsam der Niedergang des EURO (worin fröhliche Naturen prima Exportchancen sehen).
Sämtlichen Vorschlägen gemein ist hierbei das verbissene, engstirnige Verharren in systemischen Zwängen und Vorstellungen. Dabei böte sich Griechenland – zweieinhalb Jahrtausende, nachdem Athen der Welt den Archetyp der Demokratie geschenkt hat – eine historische Chance; dazu jedoch gelte es, völlig verfahrene Denkgleise zu verlassen, von systemischem in schematisches Denken überzuwechseln (siehe auch der Artikel: „Die Macht der Information“,  www.d-perspektive.de).
Lassen Sie uns – hierzu bedarf es wenig Phantasie – konstatieren: Der Staatsgedanke in seiner bislang gültigen und von gewissen “Eliten” propagierten und verbissen verteidigten Form ist definitiv am Ende, weil ausgezehrt, nicht reformierbar und lernunfähig; er ist zu einem nicht mehr finanzierbaren Dauerreperaturbetrieb verkommen.
Statt die Griechen der Mißwirtschaft, opportunistischer “Fakelaki”-Mentalität und antieuropäischer Lebensführung zu zeihen, sollten wir es mal mit einer völlig anderen Sichtweise probieren: Wie kaum ein anderes Volk lieben die Griechen ihre natürliche Unabhängigkeit. Sie umgehen in nachbarschaftlichem DenkFühlHandeln und obrigkeitsaverser Autonomie geschickt alles, was sich ihnen in staats-autoritärer Weise in den Weg stellt. Sie haben schlichtweg satt, etatistisch programmiert und bürokratisch gegängelt zu werden – ehedem von Athen, nun zunehmend von Brüssel, Luxemburg und Straßburg. Im Gegensatz zu Deutschen, Österreichern, Niederländern und Nordeuropäern (nicht unähnlich hingegen Süditalienern, Spaniern und Portugiesen!) lehnen die Griechen omnipräsente staatliche Gouvernance ab; sie wollen ihr Leben in frei gewählter Akkordanz mit Freunden und Nachbarn, bitteschön, selbst gestalten. Daß sie dabei – kreativ, mitunter gar schlitzohrig – immer wieder Mittel und Wege suchen und finden, systemische Barrieren zu umgehen, kann ihnen, bei Verzicht auf teutonische Staatsgläubigkeit und scheinheilige Polit-Rhetorik, niemand verargen.
Wer je mit Griechen zu tun hatte, kennt sie als hilfsbereit, großzügig und gastfreundlich, ein wenig verspielt und herzlich (na gut, nicht immer pünktlich).
Lassen Sie mal folgendes Gedankenexperiment zu – ohne gleich nach dem Arzt oder Geheimdiensten zu rufen:

Wie wäre es, wenn Griechenland seine staatliche Entität auflöste und sich kommunal/regional völlig neu aufstellte?

Dies könnte in folgender Weise geschehen:

  • Städte und Gemeinden erklären ihre Autonomie – mit allen Konsequenzen
    (siehe alternative Konzepte unter: www.d-perspektive.de);
  • sie treten damit in freie Konkurrenz zu- und miteinander;
  • sie beschließen autark und autonom über eine eigene Steuer-, Finanz-, Rechts- und Verwaltungsordnung, aber auch über transkommunale Zusammenschlüsse jedweder Art;
  • sie wählen – real-demokratisch – wirkliche Fachleute(!) als Entscheider, statt sich parteipolitisch vergewaltigen zu lassen;
  • alle bislang öffentlich-(un)rechtlichen Besitztümer gehen in den Aerar und die Pflegschaft der jeweiligen Gemeinde/Stadt über – sofern diese daran Interesse hat – und gegen eine Ablösegebühr, die in einen ‘Griechenland-Abwicklungsfonds’ fließt, aus dem – unter Aufsicht eines internationalen Fachgremiums – die bisherigen Schulden Griechenlands beglichen werden;
  • wer sich wo niederlässt – Private wie Konzerne/Unternehmen/Institute, etc -, entscheiden die Kommunen (auch darüber, zu welchen Bedingungen und unter welchen Voraussetzungen).

Erscheint Ihnen dies als Utopie oder Illusion? Nun, ersteres wäre gut, denn eine Utopie (griech.: utopoin; u-topos) ist keine Spinnerei, sondern etwas bisher eben noch nicht in der Üblichkeit Gesehenes/Verstandenes, wohingegen eine Illusion eine Vorspiegelung, etwas Irreales beschreibt – das Handwerkszeug derer, die uns heutzutage das Märchen von ‘Demokratie’ und ‘Sozialstaatlichkeit’ vorgaukeln.

Daß dies das Ende staatlicher Allmacht und parteipolitischer “Adels”herrschaft wäre, ist offensichtlich, und umso vehementer werden dies diejenigen zu verhindern trachten, die – in Griechenland wie anderswo – von der bisherigen Systemik glänzend profitieren, ohne die geringsten Skrupel, klandestin-korrupt und zumeist ohne die geringste Qualifikation.

2.500 Jahre nach Herakleitos, Solon und Perikles wäre es wiederum Griechenland, das der Menschheit aus einer existenziellen Problematik heraushülfe – jenseits festgefahrener Ideologien, Illusionen und systemischem Denken!

Griechenland könnte damit – einmal mehr – zur Wiege einer neuen Sozialstruktur, eines neuen Denkens werden (sic!).

H.-W. Graf