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Ende oder Anfang?

Die Frage aller Fragen: Ist der Lauf der Dinge noch aufzuhalten? Ist das unerbittliche Gesetz von Ursache und Wirkung noch zu durchbrechen? Oder ist der point of no return in Richtung Ende dieser Zivilisation bereits überschritten?

Die jüngste Vergangenheit folgte einer jedermann ersichtlichen Logik und Konsequenz. Auch die nahe Zukunft birgt kaum Geheimnisse.

Die hundertfünfzig Wissenschaftler, die die UNO beauftragte, herauszufinden, wohin sich das Leben auf der Erde entwickelt (Millennium Projekt), ermittelten als wahrscheinlichsten Verlauf, daß es zum Krieg der Benachteiligten gegen die Bevorzugten käme, der am Ende mit allen verfügbaren Mitteln geführt werde.

Viele nahmen an, daß die hungernden Massen aus dem Süden sich aufmachen würden, um sich an den Fleischtöpfen im Norden zu laben. Doch davor bewahrt die Satten, daß sich mit leerem Bauch schlecht marschieren läßt. Obendrein erweisen sich für die Afrikaner die Sahara und das Mittelmeer als schwer zu überwindende Hindernisse.

Vielleicht hätte man erahnen können, daß der Funke im Zentrum des Hochmuts entfacht werden würde. Durchaus zu erwarten dagegen war, daß ihn nicht die Ohnmächtigen zünden würden, sondern die gegen Ungerechtigkeit aufbegehrenden, in ihrem Stolz verletzten Potenteren, Leute mit Geld und Macht – die gefährlichere Variante.

Die Militärmaschine jedenfalls geriet schon mal in Bewegung, vorerst mit gebremstem Schaum und auf die geringste Gegenwehr gerichtet.

Der weitere Verlauf war etwas weniger ersichtlich, aber durchaus folgerichtig. Der anhaltende Krieg erzeugte Kosten, die sich am Ende auf die Kaufkraft des kleinen Mannes niederschlugen. Massenweise platzten Kredite, die die Bürger aufgenommen hatten. Und für die Immobilien, die sie den Banken als Pfand übereignet hatten, gab es niemanden mehr, der sie kaufen konnte. Das stieß die Geldhäuser in den Ruin.

Anschließend rächte sich eine weitere Machenschaft der Staaten. Sie veranlassen Unternehmen und Betriebe, sich nicht mehr über Rücklagen zu finanzieren, sondern über Kredite. Denn Guthaben sind zu versteuern, Schulden dagegen, zumindest deren Zinsen, lassen sich von der Steuer absetzen. Das führt dazu, daß ohne Kredite die Bänder still stehen. Die Banken sind in den Stand der „Systemrelevanz“ erhoben.

Als Folge dieses Tatbestands konnten die Staaten nicht, wie es der Markt verlangt hätte, die Banken auf ihren faulen Papieren sitzen und das Zeitliche segnen lassen.

Die Staaten indessen leben schon seit Jahren über ihre Verhältnisse, weil jede Regierung die andere durch Wohltaten zu übertrumpfen trachtet. An die nächste Generation, die neben den horrenden Schulden noch in Gang gesetzte Umweltprobleme und verknappte Ressourcen zu bewältigen hätte, denkt niemand.

Jedenfalls war für die Bankenrettung kein Geld da. Die Staaten steigerten ihre Schulden ins Unermeßliche.

Doch wie ein Wink des Schicksals tut sich plötzlich eine Chance auf, das Blatt zu wenden, der tödlichen Unerbittlichkeit zu entkommen.

Beileibe nicht als erster, aber doch auf eine sehr spektakuläre Weise gerät der griechische Staat in die Pleite. Weil es um ihre Währung geht, springen ihm die anderen Staaten zur Seite. Und der Staat selbst legt sich ein knallenges Sparkorsett an. Gleichwohl ist jedermann klar, daß hier der vergebliche Versuch unternommen wird, am Leben zu erhalten, was längst gestorben ist – nochmals enorm kostenträchtig.

Und weil es diesmal nicht nur einen Staat, sondern sie alle trifft, erfolgt das verzweifelte Bemühen, den Markt durch Luftbuchungen (die Bereitstellung von 750 nicht vorhandenen und nicht zu bekommenden Milliarden) zu beruhigen.

Seit langem ist allen klugen Zeitgenossen bewußt, daß die Staaten das Verhängnis der Menschheit sind. Doch sie auf friedliche Weise abzuschaffen, türmte sich als unüberwindliche Schwierigkeit auf. Und nun serviert der Ablauf des Geschehens unverhofft einen Staat, der sich in besonderer Weise ins Aus manövriert hat.

Dazu trifft es die Griechen, ein freiheitsliebendes Volk. Ihre Vorfahren, Solon, Kleistenes, Perikles haben den Gedanken der Freiheit in die Welt gesetzt.

Was ist geboten? Die Griechen müssen in ihrem Verlangen nach Beseitigung dessen, was Sitte und Moral verdirbt, was die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer macht, bestärkt werden. In ihnen ist das Zutrauen zu wecken, ihr Geschick in die eigene Hand zu nehmen. Sie sind zu warnen vor allen Verführern, Bevormundern, Wohltätern. Sie sollten lediglich dafür sorgen, daß ihr Staat ordnungsgemäß abgewickelt wird.

Was dagegen geschehen wird, wenn diese Chance ungenutzt bleibt, gibt keine Rätsel auf.

Die Staaten profitieren gegenwärtig vom künstlich erzeugten niedrigen Zinsniveau. Doch auch Zentralbanken können dauerhaft nicht von Luft und Liebe leben. Zu erwarten ist, daß sie sich noch in diesem Jahr zur Erhöhung des Leitzinses gezwungen sehen werden. Das bürdet den Staaten nochmals gewaltige Lasten auf (Deutschland allein müßte, sollte der Zinssatz nur um einen Prozentpunkt heraufgesetzt werden, noch in diesem Jahr weitere neun Milliarden Euro an Zinsen zahlen, in den Folgejahren noch mehr).

Noch verhängnisvoller aber dürfte sich auswirken, was sich für 2011 abzeichnet. In jenem Jahr beginnend werden Geschäftsimmobilienkredite fällig, von denen schon jetzt als erwiesen gilt, daß die Mehrheit von ihnen nicht abgegolten werden können. Der Umfang könnte, Analysten zufolge, dem der kürzlich geplatzten Wohnimmobilienkredite nicht nachstehen.

Es bedarf der aufgeschreckten Fachleute nicht, um zu wissen, daß damit die Staaten am Ende sind. Sie werden versuchen, sich der Ersparnisse ihrer Bürger zu bemächtigen über eine Währungsreform. Ob sie dafür aber deren Duldung erhalten, zumal eine Menge Arbeitsplätze verloren gegangen sein dürften, ist sehr die Frage. Aufruhr von links und rechts, Mord und Totschlag, Mogadischu in Paris und Berlin. Wer das in Rechnung stellt, könnte von dem Ablauf des Geschehens bestätigt werden.

Wie dem auch sei, Ereignisse wie die zu erwartenden haben erfahrungsgemäß – Gegenargumente finden nun keine Gefolgschaft mehr – den Ruf nach einem „starken Staat“ im Gefolge. Und wenn diese Denkart auf die schwindenden Ressourcen trifft, entsteht eine Konstellation, die wahrlich nichts Gutes verheißt.

Zurück zur Gegenwart. Der Zug der Zeit, dessen Gleise, vom Obrigkeitsglauben und Machbarkeitswahn vorgezeichnet, ins Ausweglose führen, trifft unverhofft auf eine Weiche. Sie würde eine Fortsetzung der Fahrt nach Vernunft und Maß erlauben. Allerdings muß die Weichenstellung jetzt erfolgen. Denn wenn in Griechenland das Chaos ausgebrochen ist, was nicht lange dauern dürfte, ist an der Reiseroute nichts mehr zu ändern.

Was ist konkret zu tun? Diejenigen, die gehört werden oder die über Publikationsmittel verfügen, müßten in Wort und Schrift den Willen der Griechen bestärken, ihr Geschick selbst in die Hand zu nehmen, sich jedem Gedanken an die Wiederherstellung der Staatlichkeit zu widersetzen. Sie, die Wissenden, sollten sich dafür einsetzen, daß die Konkursmasse und die Lasten des gestorbenen Staates über einen Insolvenzverwalter auf gerechte Weise abgewickelt werden (beispielhaft für die nachfolgenden Staatspleiten). Und sie müßten sich dafür verwenden, daß ihr eigener Staat es unterläßt, wie auch immer in das Geschehen einzugreifen.

Die Auffassung, das hier Ausgeführte verspreche keinen Erfolg, entlarvt sich selbst als vordergründig. Denn angesichts der absehbaren Alternative kann es keinen Zweifel geben, daß es unverantwortlich wäre, den Versuch zu unterlassen.

Wenn je hohe Anforderungen an Vernunft und Verantwortung der Eliten gestellt werden durften, jetzt ist der Zeitpunkt, sie abzurufen.

Karl-August Hansen