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Offener Brief an die liberalen und libertären Denker,

die Verfechter der Freiheit lassen den Freund der Freiheit ratlos. Sie alle legen der Freiheit Fesseln an, die einen hier, die anderen dort.

Der befreite Mensch darf nicht an Gott glauben, sagen die einen. Andere verlangen, daß er das Eigentum schätzt, jedenfalls darf er es nicht mißachten. Wieder andere fordern, daß er Regeln beachtet, solche, die sie unterschiedlich in Form und Inhalt festschreiben.

Ist die volle Freiheit nichts als eine Schimäre?

Den Menschen in die Selbständigkeit zu entlassen, so liest man bei den Vorkämpfern der Freiheit, verlangt einen Vorbehalt. Es ist Vorsorge zu treffen, daß die Freiheit nicht aus dem Ruder läuft.

Doch was würde geschehen, wenn eine große nach Freiheit (und Frieden!) drängende Mehrheit ihren Staat zwänge, sich aufzulösen und als dessen Folge jeder tun und lassen könnte, was ihm beliebt?

Einzelne zögen sich in die Einsiedelei zurück. Einige Besitzer eines Anwesens im Grünen gründeten selbstgenügsam ihren Freistaat. Die Mehrheit jedoch, mit ihren Nachbarn auf engem Raum zusammengefügt, wäre gezwungen, sich mit diesen zu verständigen, um gemeinsam zu regeln, was der Regelung bedarf.

An der Bildung von Gemeinden führt kein Weg vorbei. Dazu bedarf es weder einer Festlegung noch gar eines Zwanges. Es gibt schlicht keine Alternative dazu, jedenfalls keine, der Bestand vergönnt sein kann.

Doch inwiefern man die Gemeinden sich selbst überlassen darf, daran reiben sich die Geister. Bedenken regen sich schon, ob es sich nicht geböte, einer überzogenen Zersiedelung vorzubeugen, etwa indem man Mindestanforderungen an Gebietsgröße und/oder Einwohnerzahl erhöbe. Indessen, ließe man der Einfalt freien Lauf, würden allzu unsinnige Gebilde nach kurzer Zeit von selbst zerfallen. Auf die Gesamtheit hätte ein solcher Vorgang keinen nennenswerten Einfluß. Den Mitgliedern der aufgelösten Gemeinde bliebe kaum etwas anderes übrig, als sich geschlossen oder getrennt den Nachbargemeinden anzuschließen. Sicherlich wäre dabei rechtlich einiges zu regeln. Aber von bedenklichen Auswirkungen kann keine Rede sein.

Doch was wird aus den Menschenrechten, die wir unseren Geistesgrößen verdanken (und die bisher nie und nirgends eingehalten wurden)?

Die Gemeinden hätten sicher ein Interesse daran, daß sie nicht gezwungen werden, sich Mitmenschen anzunehmen, die sich in ihrer Heimatgemeinde mißliebig gemacht haben. Somit kämen sie wahrscheinlich überein, die Abschiebung eines Bürgers zu verbieten. Auch daß eine Gemeinde ihren eventuell entstandenen Bevölkerungsüberschuß über andere Gemeinden ergießt, würden diese sich sicher verbitten. Damit erhielte jeder Bürger in seiner Gemeinde ein von dieser nicht zu nehmendes Heimatrecht.

Das Bedürfnis nach Freiheit verlangt sodann, daß jedermann das Recht behält, seine Gemeinde aus eigenem Antrieb zu verlassen. Doch da keine Gemeinde gezwungen werden kann, einen Heimatlosen aufzunehmen, und das Herumvagabundieren sicher kein ersprießliches Dasein wäre, muß der Wanderfreund sich zuvor von einer anderen Gemeinde die Zuzugsgenehmigung beschaffen.

Nun mag man zweifeln, [….]