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Das dicke Ende kommt erst noch

Mancher mag sich wundern, warum DAX & Co. nach einem kurzen Aufflackern zu Beginn des Jahres arg ins Straucheln gekommen und in dieser Woche sogar vor die Jahresendstandswerte 2013 zurückgefallen sind. Nun, der Grund dafür ist der gleiche, warum z.B. der DAX in den letzten zwei Jahren mehr als 55% zugelegt hat: Billionen billiger Dollars, Euros, Pfund Sterlings und Yens, die speziell von den Banken dankbar aufgenommen und auf dem Umweg über Schattenbanken, Hedgefonds und Derivate kreativster Art in den Markt gepumpt wurden. Die ebenfalls in billigem Geld schwelgenden Großkonzerne nutzten die Gunst der Stunde, um vermehrt eigene Aktien zurückzukaufen, und selbst private Investoren engagierten sich kreditfinanziert an den Wertpapiermärkten wie nie zuvor. Nun aber schlägt die ‚Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ)‘, die Zentralbank der Notenbanken, Alarm, denn die Geldpolitik der westlichen Notenbanken habe (laut einer Studie vom Februar 2014) zu einer gigantischen Verschuldung der Schwellenländer geführt; 9,1 Billionen Dollar, fast das Doppelte des Kreditvolumens vor 2008 (Ausbruch der Finanzkrise), stünden, so die BIZ, auf wackligen Beinen, wobei vor allem die europäischen Banken mit Forderungen gegenüber den Schwellenländern von fast 3,4 Billionen ganz vorne in der Schlange stehen. Addiert man hierzu noch die offenen Bestände der Finanzzentren von Singapur, Hongkong, Panama und anderen exotischen Finanzparadiesen, summieren sich die Forderungen der europäischen Kreditinstitute auf über 4,1 Billionen Dollar.
So großzügig in den vergangenen fünf Jahren die Ströme billigen Geldes flossen, so ängstlich ziehen nun Private wie Institutionelle ihre Gelder aus den Schwellenländern ab, seit die US-Notenbank ein Ende des Tapering signalisiert. So flossen allein in den ersten sechs Wochen 2014 mehr als 20 Milliarden Dollar aus den Aktienmärkten der Schwellenländer ab – 35% mehr als im gesamten Jahr 2013. Brasilien und Rußland sagten Auktionen von Staatsanleihen über insgesamt 42 Milliarden Dollar ab, und nun rätseln die führenden europäischen Geldhäuser, ob sich die Krise eher auf den Anleihen- oder den Aktienmärkten auswirken wird, wobei die Situation besonders für Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und die Türkei angespannt ist, da diese Länder aufgrund ihrer hohen Leistungsbilanz-Defizite auf verläßliche Zuflüsse von Investoren und Kreditgebern angewiesen sind.
Hinzu kommt für das Bankensystem der Euro-Zone noch die Notlage der Peripherie- Länder – Portugal, Spanien und (immer noch) Griechenland –, wobei insbesondere Portugal und Spanien aufgrund ihrer traditionell starken Kreditengagements in Südamerika mit einem Volumen von fast 500 Milliarden Dollar betroffen sind.

Während die US-Banken die letzten vier Jahre vor allem zum Aufbau ihrer Eigenkapitalquote verwendet haben, engagierten sich Europas Banken mit Verve und Optimismus in den Schwellenländern, nachgerade in (süd-)osteuropäischen Ländern, wohl in der Hoffnung, daß diese möglichst zeitnah in den Schoß der Euro-Zone fallen und deren Kredite damit als gesichert gelten könnten.
Mit insgesamt 66 Billionen US-Dollar ist die kumulierte Bilanzsumme der europäischen Banken fast exakt viermal so hoch wie die gesamte Wirtschaftsleistung der Euro-Zone, wobei nur fünf Jahre nach der Finanzkrise die Gier schon wieder größer zu sein scheint, als der Schmerz der Erfahrung.
Noch dramatischer stellt sich die Situation dar, wenn man die Engagements der Schattenbanken hinzurechnet – außerhalb der Bilanzen agierende Bank-Töchter, Beteiligungsfirmen und Hedge-Fonds; dort schlummern weitere 21 Billionen US-Dollar kreditierter Forderungen. Alleine die HSBC, Europas größte Bank, benötigt gemäß einer Studie des unabhängigen Research-Hauses ‚Forensic Asia‘ über 110 Milliarden US-Dollar an frischem Kapital, weil sie die Vermögenswerte ihrer Engagements in der Bilanz zu hoch angesetzt hat.
Neckisches Aperçu: Vor kurzem beschränkte die HSBC Barabhebungen ihrer Kunden – vorgeblich, um ihre Kunden vor der Verführung durch Finanzbetrüger zu schützen!
Selten so gelacht.

H.-W. Graf