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Soziale Marktwirtschaft – Ludwig Erhard – Teil 2


Die Soziale Marktwirtschaft – Ludwig Erhard und das Wirtschaftswunder – TEIL 2

Ein historischer Rückblick vor aktuellem Hintergrund

Ursprung und Entwicklung eines Begriffs

Die ordoliberale Grundidee des Konzeptes der „Sozialen Marktwirtschaft“ stammt, entgegen dem verbreiteten Mythos, nicht von Ludwig Erhard, sondern den Vertretern der Denkrichtung der ‚Freiburger Schule. Der Schule gehörten Walter Eucken, Franz Böhm und Hanns Großmann-Doert an. Diese entwickelten ab 1937 ein erweitertes Konzept der ‚freien Marktwirtschaft’ – mit einem starkem Staat, der den Wettbewerb in der Wirtschaft aufrechterhält, indem er Kartelle, Absprachen und Monopole unterbindet.

Der Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft“ wiederum stammt von dem deutschen Nationalökonomen Alfred Müller-Armack. Dieser sah als Aufgaben für den Staat über das ordoliberale Konzept hinaus die Beeinflussung des Konjunkturzyklus sowie die Unterstützung von Benachteiligten und Bedürftigen. Wer „Benachteiligter“ oder „Bedürftiger“ ist und wie die Unterstützung gestaltet werden sollte, wurde jedoch nicht definiert. Müller-Armacks Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft“ blieb daher undeutlich und konnte auf unterschiedlichste Weise interpretiert werden.

Die von Ludwig Erhard vertretene „Soziale Marktwirtschaft“ verwendet das ordoliberale Konzept der ‚Freiburger Schule’, nutzte für diese Politik aber die Bezeichnung MüllerArmacks. Staatliche Interventionen oder ein direktes soziales Engagement des Staates, wie von Müller-Armack vorgesehen, lehnte er jedoch ab. Erhard ging vielmehr davon aus, daß der freie Markt an sich bereits Gerechtigkeit herstellt und damit am sozialsten ist. Folglich wären staatliche Interventionen überflüssig und sogar schädlich, da sie Leistungsanreize und Eigenverantwortung untergraben. Sie sorgen lediglich für einen Kampf um politischen Einfluß zum Zwecke der Umverteilung der Produktion im eigenen Interesse, führten aber nicht zu einem Anstieg der Produktion selbst.

Der aktuelle Umgang mit den Begriffen

Ludwig Erhard

Noch immer umgibt Erhard die Aura einer erstaunlichen Autorität in Wirtschaftsfragen, die sich verschiedenste Autoren zunutze machen, um ihre eigenen Ansichten zu untermauern. Häufig anzutreffen ist dabei das Phänomen, sich in die Rolle Ludwig Erhards zu begeben und unter Berufung auf seine Person die eigene Meinung zu aktuellen Problemen zu vertreten. Denn um Ludwig Erhards Ansichten kann es sich logischer-weise nicht handeln – der „Vater des Wirtschaftswunders und der Sozialen Marktwirtschaft“ starb bereits 1977.

Besonders auffällig ist die häufige Interpretation der ersten beiden Absätze des ersten Kapitels in Ludwig ErhardsWohlstand für alle“ durch sozialistisch ausgerichtete Autoren. In diesen Absätzen geht es um die Beseitigung der konservativen Sozialstruktur und die Vergrößerung der Massenkaufkraft, die sich Erhard zum Ziel setzte. Folglich wird dieses Kapitel häufig verwendet, um staatliche und/oder gewerkschaftliche Inter-vention zur Einkommensumverteilung zu begründen. In „Politik für Alle“, eine offensichtliche Anspielung auf ErhardsWohlstand für alle“, beruft sich Oskar Lafontaine ebenfalls auf das erste Kapitel aus „Wohlstand für alle. Auf das Halbwissen der Leser spekulierend, wird Erhard durch Lafontaine zum Verfechter allgemeiner Lohnerhöhungen durch die Gewerkschaften uminterpretiert. Gleichzeitig unterläßt Lafontaine bewußt die Preisgabe weiterer Inhalte aus „Wohlstand für alle“, die Erhard als Vertreter des Ordoliberalismus, immerhin einer Form des Neoliberalismus, erkennen lassen würden. Es ist zu bezweifeln, daß Ludwig Erhard, bekennender Gegner von Wirtschaftskartellen (einschließlich Gewerkschaften) und in seiner Lohnpolitik stets von „Maß halten“ redend, Lafontaines Interpretation gestattet oder gar geteilt hätte.

Da Erhard jedoch lediglich als „Vater des Wirtschaftswunders“ und der „Sozialen Marktwirtschaft“, nicht aber als Vertreter des Neoliberalismus und Verfechter von Lohnzurückhaltung und Staatsbegrenzung im Bewußtsein verankert ist, gelingt diese Irreführung vermutlich bei großen Teilen der Bevölkerung. Durch das einseitige, ausschließlich auf dem Mythos basierende Wissen der Bevölkerung über Erhard kann er derart willkürlich ausgelegt werden und seine Autorität von fast jeder politischen Strömung in Anspruch genommen werden.

Soziale Marktwirtschaft

Anders als der Mythos [….]