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„Restitutionslüge“ – Prozesse

Erfolgsaussichten der Strafrechtlichen Rehabilitierung – Prozesse in den USA – Gang nach Straßburg?

Rechtsanwalt Stefan von Raumer setzt weiterhin auf die strafrechtliche Rehabilitierung in Deutschland. Hier müssen die Einzelfälle jeweils geprüft werden. Er bezweifelt, ob ein erneuter Gang nach Straßburg Aussicht auf Erfolg hat. Der Europäische Gerichtshof für Menschen-rechte (EGMR) dürfte seine Meinung nicht so schnell ändern. Gegenwärtig sind Prozesse in den USA mit Risiken versehen. Hier muß noch eine intensive Prüfung erfolgen, die in einen kostenträchtigen „test case“ münden würde.

Verfahren in Deutschland

Im deutschen Recht bleibt die Prüfung jedes Einzelfalls auf Besonderheiten, die nach der immer ausgeprägteren Nischenrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) in Einzel-fällen Rückgabeansprüche ermöglichen, wichtig. Von Interesse sind aber auch die (deutschen!) Verfahren nach § 1 Abs. 5 StrRehaG. Hier konnten mehrere Fälle gerichtlicher Vermögens-entziehungen in der Besatzungszeit gewonnen werden, aber keine außergerichtlichen Fälle, trotz § 1 Abs. 5 StrRehaG, der die Anwendung des StrRehaG für außergerichtliche Fälle vorschreibt. Der strafrechtliche Charakter der meisten Vermögenszugriffe ist belegbar, es fehlt aber bisher am gerichtlichen Willen zur ernsthaften Prüfung.

Bis vor kurzem haben die Landesgerichte (LG) und Oberlandesgerichte (OLG) wegen ihrer Auffassung, der EV verbiete ohnehin eine Rehabilitierung, eine fundierte Prüfung des Straf-charakters der Maßnahmen unterlassen. Kürzlich konnte der Autor aber in den Entscheidungen vom 4. Juli 2003 – BVerfG 1 BvR 834/2002 – und vom OLG Brandenburg mit Beschluß vom 12. August 2004 – 2 Ws (Reha) 28/03 – seine Auffassung durchsetzen, daß dies nicht zutrifft. Vielmehr bestehe bei strafrechtlichen Zugriffen, so daß BVerfG, ein die Rückgabe einschlies-sendes „Rehabilitierungsbedürfnis“. Jedoch muß nun der neueste Einwand, es fehle an einer hinreichenden Individualisierung des Schuldvorwurfs, widerlegt werden. Ein individueller, der Vermögensentziehung zugrunde liegender Schuldvorwurf ist insbesondere in Industriefällen, aber auch (schwieriger) im Bodenreform-Bereich nach heutigen Erkenntnissen darlegbar. Anträge sind bis zum 31. Dezember 2007 zulässig. Das Verfahren ist in beiden Instanzen gerichtskostenfrei und dauert ca. 2 bis 3 Jahre. Hier werden die Gebühren i.d.R vom Umfang der notwendigen Arbeiten abhängig gemacht.

Inzwischen können mehrere Erfolge bei der Rehabilitierung von Vertreibungen während der Bodenreform nach § 1 a VwRehaG und teilweise auch bereits dem BerufsRehaG verbucht werden. Diese führen zwar nicht zur Rückgabe, können aber neben moralischen und ggf. sogar geringen finanziellen Auswirkungen (Rente) später taktisch von Vorteil sein. Wichtig ist dabei u.a. das Urteil des VG Potsdam 11 K 2666/99 vom 2. März 2004, in dem auch eine Kreisver-weisungsrehabilitierung ohne schriftlichen Nachweis der Kreisverweisung erstritten werden konnte.

Prozesse in den USA

Bei den möglichen, aber mit Risiken versehenen Prozessen in den USA liegt der Problem-schwerpunkt beim prozessualen Zugang zu US-Gerichten. Klagen gegen Staaten steht grund-sätzlich der „State Immunity Act“ entgegen. Allerdings konnte die Familie Altmann im Sommer 2004 erfolgreich eine Klage gegen Österreich bis zum amerikanischen Supreme Court bringen. Vergleichbar wie im dortigen Fall, könnten sich nun deutsche Kläger auf die Aus-nahme berufen, daß die BRD wie ein Unternehmen am amerikanischen Markt 1945 – 49 enteignete Liegenschaften verkauft hat und sich daher wie ein Unternehmen verklagen lassen muß. Eine vertiefte Prüfung durch eine amerikanische Kanzlei ist aber unerläßlich. Dafür müßten genügend Betroffene zur Finanzierung bereit sein. Vor der Durchführung von Erfolgs-honorarprozessen wird wohl auch ein „test-case“ zu finanzieren sein. Die Kosten für ein Gutachten einer geeigneten, etablierten Kanzlei dürften alleine für die amerikanischen Kollegen ca. 200.000 US$ betragen. Eine frühzeitige (unverbindliche) Erfassung und Kurzdarstellung von Fällen Interessierter für spätere Erfolgshonorarprozesse wäre hilfreich.

Verfahren in Straßburg

Die Entscheidung des EGMR vom 30. März 2005, wonach die EMRK nicht anwendbar sei, ist nicht rechtsmittelfähig. Erste weitere Beschwerden, auch zu anderen Konventionsartikeln, hat der EGMR zurückgewiesen. Die Frage, ob die BRD zu Recht oder zu Unrecht gerade für SBZ-Opfer keine (für den EGMR erkennbaren) Ansprüche geregelt hat, wurde nicht entschieden, so daß dies einer politischen Diskussion zugänglich bleibt. Diese Lage sowie die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Betroffenen sollten nicht durch erfolglose (kurzfristige) neue Anrufungen des EGMR aufs Spiel gesetzt werden, der seine Position kurzfristig nicht ändern wird. Dies gilt auch für Beschwerden nach Art. 6 EMRK wegen Verweigerung strafrechtlicher Rehabili-tierung. Diese setzen voraus, daß der EGMR entgegen eingetretener Rechtskraft der Ent-scheidung einräumen müsste, er habe sich getäuscht, als er in der Entscheidung den Strafcharakter der Beschwerdefälle explizit verneint hatte. Die in den weiteren Beschwerden vorgesehenen Anträge, wonach der EGMR die Rehabilitierung vornehmen soll, sind prozessual unzulässig, weil der EGMR nur die Konvention, nicht aber das nationale (Rehabilitierungs-) Recht anwenden kann.

Der Autor wird im Fall Bars nach detaillierter Begründung auf Hinweis des EGMR nun noch eine mündliche Verhandlung beantragen, will aber wegen den bereits getroffenen Vorfest-legungen des EGMR dadurch keine zu großen Hoffnungen wecken.

Stefan von Raumer