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Mythos Manchestertum – Teil 2

Autor: Detmar Doering

Ein Versuch über Richard Cobden und die Freihandelsbewegung anläßlich der 200. Wiederkehr des Geburtstages von Richard Cobden am 3. Juni 1804


Mehr als nur Markt und Freihandel

Schon zur Zeit der Gründung der „Anti-Corn Law League“ meinte Frédéric Bastiat in einem Brief an Cobden, daß der Name der Vereinigung eine nur unvollständige und enge Vorstellung von ihren Zielen und ihrer Vision wiedergäbe. Cobden, Bright und die Freihandelsbewegung meldeten sich bei allen wichtigen politischen Fragen zu Wort. Man kann annehmen, daß der Erfolg der „Manchesterliberalen“ letztlich auch darauf basierte, daß ihre Agenda nicht verengt war, und daß sie ein stimmiges Programm um das Prinzip des Freihandels herum zu formulieren im Stande waren.

Vieles dieser Agenda bezog sich direkt auf das Anliegen, die Not der Armen zu beheben. Dazu gehörte etwa das Engagement im Genossenschaftswesen. Diese sah man als ein ohne Staatszwang auskommendes Mittel an, die Kaufkraft und die Unabhängigkeit der Arbeiter zu erhöhen. Cobden sympathisierte hier durchaus mit den frühsozialistischen Ideen Robert Owens, der als erster in England Genossenschaften gegründet hatte.

Auch andere Fragen standen auf der Agenda. Cobden zögerte zunächst bei dem Thema „Kinderarbeit“ in den Fabriken, weil eine vorschnelle Abschaffung während der Depression der „hungry forties“ Familien ins Elend gestürzt hätte. Mit dem Fall der „Corn Laws“ wurde er jedoch entschlossener und forderte gesetzliche Beschränkungen: „… ich hoffe, den Tag zu sehen, an dem solch eine Einstellung allgemein wird: Kein Kind sollte gezwungen sein, in einer Baumwollfabrik zu arbeiten – schon gar nicht im jungen Alter von 13 Jahren; und auch danach sollten Arbeitsstunden maßvoll und die Arbeit leicht sein.

Allgemeine Volksbildung war ein anderes Herzensanliegen Cobdens und seiner Mitstreiter. „Ich kann mich des Landes, in dem ich lebe, nicht rühmen, so lange die Masse der Menschen ohne Erziehung und unwissend ist“, meinte er 1851 in einer Rede vor der „National Public School Association“ in Manchester. Dabei war er durchaus bereit, begrenzte staatliche Intervention in Kauf zu nehmen. Die englischen „Manchesterliberalen“ waren keineswegs blind dogmatisch gegen jeglichen Staatseingriff eingestellt, wie gerne unterstellt wird. Aus sozialen Erwägungen, um Arbeiterkindern den Zugang zur Schulbildung zu ermöglichen, und auch, weil im bestehenden privaten System die Kirchen zu sehr dominierten, befürwortete Cobden die Schulpflicht und öffentlich finanzierte Volksschulen, die aber unter lokaler Verwaltung und elterlicher Kontrolle stehen sollten. Dies sollte Zentralisierung und Gleichmacherei wirksam verhindern. Nur durch allgemeine Bildung, so meinte Cobden, könnten die bereits bewirkten sozialen und wirtschaftlichen Fortschritte in England erhalten und ausgebaut werden.

Friedenspolitik

Der Vertrag mit Frankreich deutete aber auch auf einen anderen Aspekt des ‚Manchestertums’ hin, der gerne über dem Kampf gegen die „Corn Laws“ und für den Freihandel vergessen wird. Die „Manchesterliberalen“ waren Pazifisten und jedem Imperialismus gegenüber kritisch eingestellt. Allein die Tatsache, daß der ‚Manchester-Liberalismus’ von Teilen der Arbeiterschaft mitgetragen wurde und eine Epoche beispielloser Prosperität für alle Bevölkerungsschichten (nebst dem Ende der letzten Hungersnöte in Westeuropa!) einleitete, hätte ihm einen besseren Nachruhm bescheren müssen als der, den man ihm heute generell zubilligt. Der Pazifismus der Bewegung hätte sie endgültig von jedem moralischen Makel befreien müssen.

Cobden, Bright und ihre Mitstreiter sahen ihr Engagement für den Freihandel in einen weiteren Kontext eingebettet. In einem Brief im April 1842 schrieb Cobden:

 [….]